ITALIEN
Der böhmische Ernst Happel
Dieser Kettenraucher spricht nur das Nötigste: Zdenek Zeman ist Fußballtrainer bei der AS Roma, aber auch Philosoph, Exzentriker, und Bohemien. Und er liebt den Offensivfußball. Von Giovanni Deriu

 

 

Zdenek ZemanKritiker des italienischen Fußballs: Zdenek Zeman, Trainer der AS Roma Foto Pixathlon

 

 

Als der italienische Fußball im Sommer wieder sein skandalöses Gesicht zeigte, sorgte ein tschechische Fußballtrainer und Intimus des italienischen Calcio für Schlagzeilen. War es doch Exzentriker Zdenek Zeman gewesen, der vor bald 15 Jahren öffentlich Vermutungen über systematisches Doping in der Serie A angestellt hatte.  Der Tscheche wurde zur persona non grata – und gilt bei einigen immer noch als Nestbeschmutzer. Dem inzwischen 65-jährigen scheint das nichts auszumachen: „Viel scheint der italienische Fußball aus der Vergangenheit nicht gelernt zu haben …“, sagte er in der "Gazzetta dello Sport". Und im europäischen Wettbewerb schnitten die italienischen Vereine außerdem noch „schlecht ab“.

Zdenek Zeman kann sich als Kritiker aufspielen, seine Fan-Gemeinde hat er sicher. In der abgelaufenen Saison stieg er mit dem Serie-B-Verein Pescara Calcio in die Serie A auf. Pescara setzte mit 83 Punkten aus 42 Spielen und 90 Treffern auf Offensivfußball. Zudem, und das macht den „Grandsignore“, der in der Regel sehr leise und zurückhaltend ist, besonders stolz, wurden fünf Spieler Pescaras in die italienische U21-Nationalelf berufen.  In der Hafenstadt östlich von Rom brach selten erlebte Fußballbegeisterung aus.

Zeman hatte in Pescara bereits in seinem ersten Jahr den Dreh raus, und fand die richtige Mischung. Viele fühlten sich wieder voller Nostalgie an das „Magische Team“ des US Foggia erinnert – bis heute schwärmen Fans in Italien von Zemans  „Foggia dei miracoli“ (1989- 1994). Damals kaum aufgestiegen, schafften die Foggianer unter Zemans Regie mit einem unkonventionellen offensiven 4-3-3-System dreimal hintereinander den Klassenerhalt, und klopften gar an Europas Tür. Auch Sacchis Milan und Juventus Turin wurde vorgeführt, und alle attestieren sie dem Italo-Böhmen Zeman bis heute ein „Auge für Talente“. Zu vergleichen wäre das Foggia von damals mit Trainer Finkes SC Freiburg in der Bundesliga vor Jahren.

Vom Typ her ist der Böhme Zeman eine Mischung aus Philosoph, Exzentriker, und Boheme. Von der Art ähnelt der Tscheche oft Ernst Happel. Zdenek Zeman, der gelernte Sportpädagoge (er studierte an der Uni von Palermo und schloss mit der höchstmöglichen Punktzahl ab), ist auch noch Kettenraucher. Von der Fluppe mag er nicht lassen, wie er schon mal in einer Fernsehtalkrunde feststellte. Deshalb, so der wortkarge Trainer besuche er auch nicht so gern das Kino – dort könne man ja „schließlich nicht rauchen“.

Zdenek Zeman, der nach der Doping-Affäre erst einmal keinen Verein in Italien fand, wechselte als Coach zu Fenerbahce Istanbul, wo er sich aber nie richtig wohl fühlte – genauso wenig beim späteren Abstecher zu Roter Stern Belgrad. Zdenek Zeman ist vom Italienischen Fußball nicht mehr wegzudenken. Ja, obwohl tschechischer Herkunft, und ein leichter Akzent lässt sich in seinem perfekten Italienisch nicht unterdrücken, nahm Zeman vor einigen Jahren den italienischen Pass an. Seit dem Prager Frühling, als die Russen einmarschierten, und „klein Zdenek“ seine Sommerferien beim Onkel  Čestmír Vycpálek (früher ein bekannter Trainer in Italien) auf Sizilien verbrachte, lebt und liebt Zeman Italien. Und nun also die AS Roma, die den Vertrag mit Luis Enrique aus Barcas Schule nicht verlängern wollte. Eine Episode voller Missverständnisse und ohne Geduld für den Spanier.

Zdenek Zeman kennt das Umfeld der Ewigen Stadt wie kein anderer – Der gebürtige Böhme trainierte bereits beide Hauptstadt-Vereine, Lazio und die Roma. Die „Laziali“ führte er zur Vize-Meisterschaft (1994), und mit „la Roma“ erreichte er Platz vier und fünf. Spielen ließ Zeman bis heute immer attraktiv, dafür sich aber wenig von Präsidenten aufdiktieren.
Spieler lieben und respektieren ihn, fürchten aber seine Trainingseinheiten – besonders in der Saisonvorbereitung, wenn Konditionsläufe anstehen – meist fährt Zeman auf dem Mountainbike nebenher.

Überhaupt, spricht Zeman nur das Notwendigste (wieder Happel like), Talkshows meidet er – und wenn sich der tschechische Italiener doch mal zu einem Interview in die Sendung überreden lässt, dann kommen meist kurze Sätze voller Ironie. Zeman sitzt der Schalk im Nacken. So erklärte Moderator Fabio Fazio, in einer Show laufe es so, der Moderator fragt, der Gast antwortet. Zeman darauf: „Wenn ich die Antwort weiß…“. Der Moderator Fazio stellte ihm die DVD vor, „Die Rückkehr von Zeman“, ein Film über den US Foggia zu Zemans Zeiten. Ob sich der Trainer denn im Film gefallen habe? Zeman trocken: „Ich weiß, dass der Film existiert, aber ich habe ihn nicht gesehen. Für mich bleibt vieles im Dunkeln“. Fazio perplex, er wollte doch das 20-Minuten-Interview auf den Film aufbauen. Was soll ich tun, stöhnte er theatralisch. Abermals Zeman: „Ja normalerweise entstehen solche Filme nach der Karriere, wenn einer nicht mehr da ist – ich bin aber noch da!“

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Zdenek Zeman nahm das Angebot der AS Roma mit der tiefen Einsicht an: „Es ist wohl die letzte Chance in meiner langen Karriere, einen großen Club in einer wichtigen Stadt zu trainieren …“, sowie einen in die Jahre gekommenen Star wie Francesco Totti. Und das klingt dann fast nach einer Bitte um Verständnis an die Fans von Aufsteiger Pescara – aber auch nach einer versteckten Warnung an Totti.

Giovanni Deriu ist 40 Jahre alt, Redakteur und freier Journalist, zudem DaF-Dozent. Deriu lebte fünf Jahre in China, unterrichtete in Kabul/Afghanistan, und reist regelmäßig nach Italien und Tschechien. Zemans Karriere und Biographie beobachtet Deriu seit 1992.







                                

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