Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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INTERVIEW
Stefan Wessels: „Effe und Lothar sagten: Mach dir keine Sorgen“
Ottmar Hitzfeld hatte keinen anderen: Stefan Wessels über sein aufregendes Debüt als Jungtorwart bei den Bayern im Champions-League-Spiel bei den Glasgow Rangers und den traurigen Abschied vom 1. FC Köln. Interview Henning Klefisch.

 

Stefan Wessels
"Manchmal kribbelt es noch": Stefan Wessels,33, im Tor von Odense BK. Im Sommer hat er seine Karriere beendet. Er arbeitet als Torwarttrainer im Emsland. Foto Pixathlon

 

Stefan, von1999 bis 2003 warst du hinter Oliver Kahn die Nummer zwei im Kasten des FC Bayern München. Wie war euer Verhältnis?
Stefan Wessels: Das Verhältnis zu ihm war gut. Es gab selbstverständlich ein kleines Lob, wenn ich gut gehalten habe. Wir haben beruflich Kontakt gehabt. Aber die Romantik, die einige haben, elf Freunde müsst ihr sein, die gibt es nicht. Fußballprofi ist letztlich auch nur ein Beruf. Oli ist elf Jahre älter als ich und deshalb hat er natürlich ganz andere Interessen gehabt.“

Das irgendwo zwischen Selbstvertrauen und Arroganz angesiedelte „Mia san Mial“ der Bayern polarisiert. War deine Bayern-Vergangenheit im Laufe deiner Karriere eher Fluch oder Segen?
Stefan Wessels: Ich war früher auch kein Bayern-Fan. Werder Bremen war meine Mannschaft. Bayern hat dennoch einen sehr hohen Stellenwert, auch für Leute, die keine Bayern-Fans sind. Ich werde immer wieder auf meine Zeit in München und speziell mein erstes Spiel in Glasgow angesprochen. Daher hat mich meine Münchener Zeit stark geprägt.“

Im September 1999 kam es zu Deinem Profidebüt beim FCB im Champions League-Gruppenspiel bei den Glasgow Rangers.
Stefan Wessels: Einen besseren und größeren Einstand hätte es nicht geben können. Es kam alles sehr überraschend. Ich habe zwar bei den Profis mittrainiert aber, war im Amateurkader, und habe
lediglich einige Freundschaftsspiele für die Profis bestritten. Am Wochenende vor dem Spiel in Glasgow saß ich bei den Amateuren sogar nur auf der Bank. Daher kam das wie aus heiterem Himmel. Samstagabend hatten sich Oliver Kahn und Bernd Dreher verletzt, so dass ich urplötzlich für die Profis spielen durfte. Für mich war das natürlich eine Riesenchance. Das ist der Traum, den ich schon als kleines Kind hatte. Profi zu sein und dann war meine Premiere ausgerechnet in der Champions League. Für mich persönlich lief das Spiel sehr gut. Rundum  gelungen war das Spiel dann durch unseren späten Ausgleich zum 1:1.

Kann man im Rückblick sagen, dass du dem damaligen Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld am meisten zu verdanken hast?  
Stefan Wessels: Zu verdanken finde ich übertrieben. Er musste mich bringen, weil er keinen anderen mehr hatte. Dennoch war er für mich ein sehr guter Trainer. Er hat mir überhaupt kein Gefühl des Zweifelns gegeben. Bestimmt war er sich unsicher. Er hat es mich aber nicht spüren lassen. Dazu hat mich die Mannschaft vorher unterstützt. So haben Effe und Lothar gesagt: "Mach dir keine Sorgen, wir helfen dir."

Wie hast du Uli Hoeneß kennengelernt?
Stefan Wessels: Ich habe ehrlich gesagt wenig Kontakt zu ihm gehabt. Er kämpft sehr intensiv für seinen Verein. In den letzten gut 30 Jahren ist der FC Bayern nahezu gleichzusetzen mit Uli Hoeneß. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass er über das Ziel hinausschießt Er hat kein Problem damit anzuecken. Was ich bei ihm aber besonders beeindruckend finde, ist sein soziales Engagement. Vor allem die Art und Weise, wie er es macht. Für ihn steht die Aktion im Vordergrund und nicht die Öffentlichkeit, die er damit erregt.

Im Jahr 2003 bist du von der Reservebank des FC Bayern München ins Tor des Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Köln gewechselt. Wie wichtig war der Wechsel für deine persönliche Entwicklung?
Stefan Wessels: Das war eine bewusste Entscheidung. Bei Bayern habe ich zwar jedes Jahr einige Spiele gemacht, ich habe Spiele in der Champions League machen dürfen und einige Titel gewonnen. Die Erfahrung war toll. Aber mit 24 Jahren war es nicht meine Erfüllung, meine ganze Karriere auf der Bank zu sitzen. Da kam mir das Angebot aus Köln gerade recht. Der FC ist ein großer Klub, Köln ist eine tolle Stadt und es gibt sehr emotionale, Fans. Daher war der FC für mich ein guter Schritt in meiner Karriere.

Waren beim „Eff zeh“ die Emotionen letztlich am ausgeprägtesten?
Stefan Wessels: Köln und der FC lebt natürlich von den Emotionen. Im Positiven wie im Negativen. Aufgrund der Emotionen und der Stimmung in der Stadt waren es vier schöne Jahre in der Stadt, auch wenn es sportlich ein stetes Auf und Ab war. Leider bin ich durch schwere Verletzungen immer wieder zurückgeworfen worden und musste mir meinen Status jedes Mal wieder neu erarbeiten.

Wegen Verletzungsproblemen und wegen der Verpflichtung von Faryd Mondragon hast Du im Sommer 2007 den 1. FC Köln verlassen. Wie sehr hat der Abschied geschmerzt?
Stefan Wessels: Die Vorgehensweise damals war sehr unschön. Ich hatte gerade meinen Vertrag verlängert, als mir mitgeteilt wurde, dass ich gehen könnte. Daher war für mich klar, dass ich bei einem attraktiven Angebot wechseln würde. Als dann die Anfrage vom FC Everton kam, wollte ich mir den Traum vom englischen Fußball erfüllen.

Würdest du deine verschiedenen Stationen im Ausland als die richtige Entscheidungen bezeichnen?
Stefan Wessels:Ja definitiv. Diese Stationen haben mich vor allem menschlich enorm weitergebracht und ich habe spannende Einblicke gewinnen dürfen.

Du hast in vier verschiedenen Ländern Fußball gespielt. Wie siehst du die Bundesliga im internationalen Vergleich. Ist die auf dem Vormarsch?
Stefan Wessels: Die internationalen Ergebnisse zeigen, dass die Bundesliga definitiv auf dem Vormarsch ist. Wobei die Art des Fußballs unterschiedlich ist. Beim Videostudium im Vorfeld unserer Europa League-Partien gegen den 1. FC Nürnberg ist mir erst bewusst geworden, dass es im deutschen Fußball im Vergleich zum englischen Fußball deutlich langsamere Episoden gibt. In England wird es nicht akzeptiert, wenn in der Viererkette hintenrum gespielt wird. Du musst nach vorne spielen, worunter die Qualität aber leidet. Das englische Spiel ist schneller und energischer. Mehr Kampf und Zweikämpfe sind extrem auffällig.

Gibt es in England nicht ein größeres Leistungsgefälle im Vergleich zur Bundesliga?
Stefan Wessels: Das gibt es sicherlich. Zu meiner Zeit in England gab es die „Big Four“ und den Rest dahinter. Momentan ändert sich das Bild ein wenig, aber dennoch ist das Gefälle größer als in Deutschland. In der Breite ist die Qualität in der Bundesliga schon länger besser. Nun kommt in der europäischen Spitze zu Bayern natürlich auch noch Dortmund hinzu. Ich denke, dass die Bundesliga auf Dauer immer zu den besten zwei, drei Ligen auf dem Kontinent gehören wird, weil großer Wert auf ein solides Wirtschaften und Nachhaltigkeit gelegt wird.

Stichwort Wirtschaften. Wie siehst du das neu eingeführte Financial Fair Play?
Stefan Wessels: Der Ansatz ist definitiv gut. Die Frage bleibt natürlich, wie das eingehalten und umgesetzt werden kann oder ob Vereine es immer wieder schaffen, die Statuten zu umgehen.

Zurück zu einem persönlichen Thema. Eine Zeitlang warst Du vereinslos. Sicherlich keine einfache Zeit für einen Ex-Profi des FC Bayern. Wie hast du diese Zeit verarbeitet?
Stefan Wessels: Nach der Zeit beim VfL Osnabrück hätte ich bei einigen Vereinen direkt unterschreiben können. Ich habe mir aber gesagt, dass ich nur ein Angebot annehmen möchte, bei dem ich mir sportlich und privat sicher fühle. Dies ist auch der Grund gewesen, warum es eine Zeitlang gedauert hat. Von meiner Seite war es eine bewusste Entscheidung zu sagen, dass ich nicht das erstbeste Angebot annehme, sondern dass ich auf das Angebot warte, das passt.

Wäre denn auch ein fußballerisches Abenteuer in einem Land außerhalb von Europa für dich eine Möglichkeit gewesen? Bekanntlich ist Dein ehemaliger Teamkollege Thomas Broich in Australien ein echter Star und konnte seine schwierige Zeit in Deutschland ein wenig vergessen lassen.
Stefan Wessels: Australien und die USA wäre auf jeden Fall in Frage gekommen. Mit Thomas Broich, der sehr erfolgreich bei Brisbane Roar in Australien kickt, habe ich in Köln zusammengespielt und zu dem Zeitpunkt war es ein Traum von mir, zum Karriereende Down Under zu spielen. In der Realität ist es dann aber nicht immer einfach, so etwas zu realisieren, speziell auf der Position des Torwarts. Ich hatte durchaus exotische und finanziell lukrative Angebote aus Papua Neuguinea und Vietnam. Diese waren sportlich und familiär allerdings nicht passend.

Jetzt mal ein anderes Thema. Viel ist in den letzten Wochen im Fußball auch über den Leistungsdruck gesprochen worden. Denkst du, dass dieser Druck zu groß für die Sportler werden könnte?
Stefan Wessels: Natürlich ist es so, dass wir Profis sind und gewinnen wollen und manchmal auch müssen. Das ist keine Frage. Daher sind Erwartungen da und ein gewisser Druck ist gegeben. Dennoch haben auch Profisportler schlechte Tage oder auch mal schlechte Phasen. Verständlicherweise werden wir dann auch kritisiert. Diese Kritik muss aber in einem gewissen Rahmen bleiben und darf nicht persönlich und verletzend werden.

Klingt so, als wärst du zufrieden, diesen Druck hinter dir gelassen zu haben.
Stefan Wessels: Momentan bin ich mit meinem Leben sehr zufrieden und ich genieße die Vorteile des „normalen Lebens“ wie beispielsweise freie Wochenenden. Der Aufbau von „BaKoS – Die Osnabrücker Ballschule e.V.“ und das Training mit den Kindern macht mir enormen Spaß. Ich freue mich jetzt auf den Start des Torwarttrainings im Jugendleistungszentrum Emsland.

 

Klicken Sie hier, um Teil eins des Interviews mit Stefan Wessels zu lesen:
„Bin nicht der Typ, der über die Dörfer tingelt“. Stefan Wessels über seine Rückkehr ins Emsland

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