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„Ricky, geh mal fünf Minuten in die Spitze“
Wechselt Carlo Ancelotti zu Real Madrid? Dort könnte er zumindest seinen einstigen Lieblingsschüler Kaká trainieren. Beim AC Mailand narrten die beiden einst sogar den allergrößten Fußballexperten Silvio Berlusconi. Von Giovanni Deriu.

 

Carlos Ancelotti
Gewiefter Taktiker: Carlo Ancelotti, derzeit bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Foto Pixathlon

 

Der „Calciomercato“, Fußballtransfermarkt, ist in seiner heißen Phase, und stündlich übertreffen sich die News in dieser Rubrik aller italienischen Sport-Blätter. Neulich die Headline im „Corriere dello Sport“, Silvio Berlusconi, Milans langjähriger Padrone, ordnet an: „Kaká zurück zu Milan“. Indes, noch gehört der 31-jährige Ricardo Izecson dos Santos Leite, kurz Kaká, als Mitspieler von Mesut Özil und Sami Khedira Real Madrid. Seine größten Erfolge feierte Kaká, 2007 Weltfußballer des Jahres, tatsächlich beim AC Milan – unter anderem den Gewinn der Champions League 2007 in Athen gegen Liverpool.

Und damals war Carlo Ancelotti Kakás Trainer beim AC Milan. So macht der brasilianische Mittelfeldspieler seinen Verbleib bei Real Madrid auch von der Personalie Carlo Ancelotti abhängig. Die beiden können miteinander, Kaká hält große Stücke auf Ancelotti, der wiederum nannte den brasilianischen Beau seinen „Lieblingsschüler“ – ehrgeizig, wissbegierig, lernfähig und genial am Ball. Es steht fest, dass Ancelotti Paris Saint-Germain verlassen wird. Die Zeichen deuten auf Real Madrid, wo Präsident  Florentino Perez mit Ancelotti eine neue Ära nach der erfolglosen von Josė Mourinho einleiten möchte. Ein Freigeist ist auch Carlo Ancelotti, genauso wie José Mourinho, der bei Real so quasi alles an sich riss, und Florentino Perez sowie Jorge Valdano eher zu Statisten degradierte. Welcher Manager oder Präsident kommt damit klar? Ancelotti dagegen ist praxiserprobt, was schwierige Präsidenten mit der Attitüde des „Möchtegern-Trainers“ betrifft.

Denn, Silvio Berlusconi, „Forza-Italia“-Gründer, ehemals langjähriger Ministerpräsident Italiens mit, so scheint es, Immunität auf Lebenszeit, kann nicht nur Politik, nein, Berlusconi ist schon immer ein „Schattentrainer“ gewesen. Leidvoll muss dies derzeit Massimiliano Allegri, kurz auch „Max“ genannt, erfahren. Die italienische Gazetten berichteten oft genug über Wunschaufstellungen des Presidente, auch zu Zeiten von Sacchi, Capello oder eben Ancelotti – doch jeder Trainer versuchte stets, den Patron Silvio nicht zu viel Plattform zu geben. Allegri gelingt das nicht gut, viele Tifosi des AC Milan glauben wirklich, der „Heilige Silvio“ (durch ihn erst kam Milan in den 1980ern wieder groß heraus) verstehe etwas vom Fußball, und es sei nur rechtens, wenn er dem Coach ein paar Hinweise gäbe.

 

KakaSeltener Jubel im Trikot von Real Madrid: Kaká war unter José Mourinha meist Ergänzungsspieler. Foto Pixathlon

 

Jedenfalls sieht Silvio Berlusconi in Kaká einen so genialen Spieler, und seinen nächsten noch genialeren Schachzug. Denn, wenn Kaká, der Superstürmer kommt, gewinnt Milan auch wieder die Meisterschaft mit dem Scudetto. Kurz, Allegri galt bereits als Deadman walking. Die AS Roma hätte Milans Meistertrainer von 2011 nach dieser unsäglichen Saison aufgenommen. Allegri, Stand heute, erhält eine neue Chance. Kaká, der so gesehen gar kein Stürmer ist, soll es richten. Die überaus kritischen italienischen Journalisten schmunzeln hinter vorgehaltener Hand selbst im Beisein von Allegri, Team-Delegierten sowie Geschäftsführer Adriano Galliani, der als Berlusconis „Schattenmann“ gilt.

Immer und immer wieder forderte Berlusconi bereits zu Ancelottis Zeiten, Kaká müsse vor, noch weiter vor, er selbst, Grande Silvio, wisse nicht, warum der Trainer wiederum, „Carletto“ (verniedlichte Form), dies nicht selbst sehen würde. Diese Aussagen und Zitate wurden dann natürlich von den Kanälen und Gazzetten aus Berlusconis Medien-Imperium immer dankend aufgenommen und verbreitet. Gut, auch ein Kaká schoss seine Tore, doch niemals als Strafraumstürmer, sondern als hinzu stoßender Mittelfeldmann, der seine Energie mit dem Ball am Fuß klug einsetzte und zu seinen gefürchteten Anläufen und Dribblings in die Tiefe des Raumes ansetzte, zudem gefürchtet als Assistgeber.

So gilt auch für Allegri (und viele andere Trainer?), sich ein Beispiel an Carlo Ancelotti zu nehmen. Denn es bestand in der Expertenwelt gar kein Zweifel, dass „Ricky“ Kaká seine Stärke weitab des Strafraumes besaß und eben nicht im Sechzehner direkt.

Ancelotti, zwar anfangs in seiner Ehre gekränkt, zeigte sich aber als guter Taktiker auch außerhalb des Platzes. Silvio Berlusconi also insistierte wie immer, Kaká müsse weiter vor. Ancelotti rief Kaká zu sich, Minuten vor dem Match: „Ricky, geh die ersten fünf Minuten direkt in die Sturmspitze. Danach wechselst Du wieder in die Position weiter hinten, die ich bevorzuge …“. Und das war wahrscheinlich Ancelottis größter Schachzug während seiner überaus erfolgreichen Milan-Zeit.

So soll der AC Milan in der kommenden Saison wieder mit einem 4-3-1-2-System spielen. Wird interessant sein zu sehen, wie Allegri Kaká einsetzen könnte. Sollte Kaká bei Real Madrid bleiben (danach sieht es aus), und Carlo Ancelotti dort das Starensemble übernehmen, wäre die Position des Brasilianers klar definiert, egal was ein Perez sich wünschte.





Giovanni Deriu, 41 Jahre, Redakteur und freier Journalist, zudem DaF-Dozent, besucht regelmäßig Italien und Tschechien, und sucht die Geschichten hinter den Ergebnissen.


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