KOLUMNE
Minimalschwachpunkt: Unsere Innenverteidigung
Toppis Taktiktafel: Jeden Monat schreibt Klaus Toppmöller in RUND. Heute über Gareth Bale, Mesut Özil, die Färoer-Inseln und die Nationalelf.

 

Toppis Taktiktafel

 


Viel wurde über die Defensive der Nationalmannschaft geredet. Am Anfang einer Saison ist es immer schwer, ein Länderspiel zu bestreiten. Gegen Paraguay war das Defensivverhalten ganz schlecht, gegen Österreich gefiel mir das schon viel besser. Die Abwehrarbeit ist bei mir immer das gesamte Kollektiv. Der Per Mertesacker hat ja jetzt auch geschrieben, dass man nicht immer nur auf die Vierer-Abwehrkette schimpfen darf. Dazu gehören im Prinzip alle. So wie es taktisch perfekt bei eingespielten Mannschaften wie Bayern oder Dortmund gemacht wird. In der Nationalmannschaft wird häufiger mal gewechselt. Wenn Sie ein Team auf drei Positionen verändern müssen, ist es auch in der Bundesliga nicht einfach.

Der Wechsel von Gareth Bale war unglaublich, mit der Ablöse von 100 Millionen Euro kommt ein Verein wie Braunschweig sechs, sieben Jahre aus. Mit einem Transfer. Der Bale ist ein Klassespieler. Keine Frage. Er kann auch nichts dafür, dass seine Ablöse so hoch ist. Er hat gesagt, er wäre auch für einen Cent zu Real Madrid gewechselt. Das war eine schöne Antwort, die er gegeben hat. Real Madrid und Barcelona sind nun mal das Nonplusultra, das sind die beiden Topvereine. Bayern München natürlich auch. Wenn sie die Auswahl hätten, würden von 100 Profis 99 die drei wählen.

Für Mesut Özil ist das schon bitter. Da kommt Carlo Ancelotti als Trainer, der hat andere Ideen als José Mourinho. Es war ja jetzt die Frage, Di Maria oder Özil abzugeben. Der wäre bestimmt gerne bei Real geblieben. Aber nun ist die WM-Saison und wenn er nicht spielt, ist es auch schwierig. Das hat mit Sicherheit einen Riesengrund bei der Entscheidung mitgespielt. Er wird dazu gezwungen. Das ist abhängig vom Trainer. Welche Spieler er holen will – da hat jeder Trainer seine eigenen Ideen. Nicht dass ich negativ über Ancelotti reden will. Als Italiener spielt er von Haus aus lieber defensiv perfekt. Der Özil ist ihm vielleicht zu offensiv und jetzt wird noch angemerkt, dass er mit neun Toren zu selten getroffen habe. Bei über 100 Treffern, die Real jedes Jahr schießt. Deshalb musste er weichen. Sicher hat er viele Tore vorbereitet. Ist ja auch ein Klassespieler. Vielleicht einer der besten der Welt.

Zurück zu den anderen Nationalspielern: Die Defensive ist im Prinzip der Schwachpunkt. Da müssen wir den Hebel ansetzen. Wir kriegen zuviele Gegentore und deshalb gewinnen wir keinen Titel. Dabei ist Manuel Neuer für mich der beste Torwart der Welt. Dass er mal einen Fehler macht, ist bei einem Torwart normal. Aber die minimieren sich schon. Er ist ja auch noch jung.

Ich sage es Ihnen so ehrlich, wie ich's sag: Wir haben eine klasse, klasse, Klassemannschaft, die jederzeit in der Lage ist, jedes Turnier zu gewinnen. Aber Probleme sehe ich von der Qualität her – ohne jemanden angreifen zu wollen – in der deutschen Innenverteidigung. Das war jetzt über Jahre hinweg der Minimal-Schwachpunkt. Das ist meine persönliche Meinung.

Dass beide gut sind, ist überhaupt keine Frage. Egal, ob Boateng, Mertesacker oder Hummels spielen. Die haben ihre Qualität und haben sie nachgewiesen. Aber um die EM oder WM zu gewinnen wird es eng.

Auf den Färöer-Inseln habe ich mein erstes Länderspiel als Trainer von Georgien gemacht. Wir haben 6:0 gewonnen. Nun muss man eins dazu sagen: Wir waren in einer Gruppe mit Frankreich und Italien. Es war das erste Spiel und sie dachten: Wenn wir ein Spiel gewinnen können, dann gegen Georgien. Sie haben uns den Gefallen getan, offensiv zu spielen. Da sind sie dann immer schön in unsere Konter reingelaufen.

Als wir im September dort waren, war wunderschönes Wetter. Wir haben in einem Hotel oben auf dem Berg gewohnt. Wenn man da in der Lobby sitzt und rausschaut, glaubt man auf ein Bild zu gucken. Wie gemalt, sieht es dort aus. Keinerlei Bewegung. Ein wunderschöner Ausblick.

Jens Martin Knudsen, der Torwart mit der Bommelmütze, war gegen uns noch im Kader. Aber erhat nicht mehr gespielt. Eine Legende auf den Färöer Inseln. Sie haben sehr sympathische Sportler. Die haben eine wunderschöne Anlage mit Trainingsplätzen oben auf dem Berg gebaut. Eine kleine Tribüne ist auch dabei. Da wird es mit Sicherheit voll werden, wenn die Deutschen kommen.

Daheim in Tiflis haben wir uns mit Georgien gegen die Färöer unglaublich schwer getan. Da standen die mit Mann und Maus hinten drin. Wir gehen 1:0 in Führung, da machen die noch das 1:1 und waren nah daran zu gewinnen. Letztlich konnten wir mit 3:1 gewinnen, aber für uns war das richtig schwer. Die waren auswärts viel gefährlicher als zuhause. Die haben auch Spieler, die gegen den Ball treten können. Und durch die ausländischen Trainer, die sie hatten, sind sie auch taktisch geschult. Aber die Qualität reicht nicht, wenn sie gegen Weltklasseleute wie Lahm oder Özil spielen.

Dass man Mario Gomez in Kaiserslautern ausgepfiffen hat, fand ich unfair. Das macht man nicht. Er hat bei Bayern München Tore ohne Ende geschossen. Es hat mich sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass er in Florenz zweimal getroffen hat. Man freut sich, wenn ein Deutscher im Ausland gut spielt. So wie Bayern München jetzt zwar mit Glück, aber verdient gegen Mourinhos Chelseas gewonnen hat. Typisch Bayern: In der letzten Minute in der Nachspielzeit machen sie das 2:2. Die Messe war eigentlich schon gelesen. Aber wer gewinnt, ist Bayern. Wahnsinn.

Henrikh Mkhitaryan"Er wird der Superstar dieser Saison: Henrikh Mkhitaryan. Foto Pixathlon


Die Dortmunder haben mich allerdings auch beeindruckt. Ich kenne den Henrikh Mkhitaryan gut. Ich sage immer Heinrich zu ihm. Das ist 'ne Vollgranate. Ein überragender Mann. Als ich in Georgien Trainer und habe den zigmal gesehen. Ich sage Ihnen: Er wird der Superstar dieser Saison, wenn er fit bleibt. Er ist schnell und torgefährlich. Der hat alles, was man haben muss.

Der Aubameyang ist noch jung, der muss noch dazulernen. Ich hab den vorher nicht gekannt, muss ich fairerweise sagen. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, habe ich gedacht: Mann, ist der schnell. Wenn der noch ein bisschen dazulernt, ruhiger am Ball wird und die Konstanz reinbringt. Der wird sicherlich in dieser Saison ein Spiel machen, in dem er wieder drei Tore schießt. Er ist ja von Haus aus eher ein Konterspieler. Dortmund ist aber im Prinzip in der Bundesliga gezwungen, immer das Spiel zu machen. Dann werden die Räume eng. Und da muss er noch dazulernen. Aber wenn der zwei Abwehrspieler überlaufen kann, ist der natürlich riesig. Das wird auch ein ganz Großer, keine Frage.

Kevin-Prince Boateng bei Schalke ist für mich völlig überraschend, dass er für so wenig Geld gewechselt ist, wenn das stimmt. Ich find' den saustark. Er ist schnell, körperlich fit, kopfballstark und torgefährlich ohne Ende. Dass Mailand den so abgibt, hat mich sehr verwundert. Noch mehr als bei Özil.

Auf jeden Fall eine Verstärkung für Schalke. Am vorletzten Wochenende war ich Fußball gucken und da haben wir auch über Boateng diskutiert. Ich habe gesagt, wenn er von Anfang an spielt, gewinnen die gegen Leverkusen. Da haben mich alle ausgelacht. Leverkusen war noch ohne Punktverlust und ein bisschen nachlässig. Boateng kommt dazu und reißt die Schalker noch mit und schon ist es passiert mit dem 2:0.

Kevin-Prince ist genau wie der Jerome. Der müsste allerdings ein bisschen cleverer sein. Im Prinzip hat der auch alles, ist aber phlegmatisch in einigen Situationen. Er hat auch immer einige Schusschancen, wenn er nach vorne geht. Aber von zehn Schüssen sind neun drüber komischerweise. Das ist sehr sehr auffällig. Da kann er sich noch verbessern. Aber der ist gut.

Aufgezeichnet von Matthias Greulich


Klicken Sie hier, um Toppis Taktiktafel vom August zu lesen: Die Bayern, wer will die aufhalten?

Klicken Sie hier, um Teil 1 des Interviews mit Klaus Toppmöller zu lesen: „So etwas bekommst du nie mehr zu sehen“

Klicken Sie hier, um Teil 2 des Interviews mit Klaus Toppmöller zu lesen: „Nach Salmrohr mit 30 rauchenden Fans im Bus“

Klicken Sie hier, um Teil 3 des Interviews mit Klaus Toppmöller zu lesen: „Ich kann ruhig schlafen“


Zurück  |