SEPAK TAKRAW
Immer wach bleiben am kleinen Ball
Der Name klingt etwas holperig in unseren Ohren: Sepak Takraw, eine Wortkombination aus dem Malaiischen und Thai, übersetzt etwa "schießen" oder "treten" plus "geflochtener Ball". Um so rasanter ist das Spiel, und zu Wettkämpfen in Südostasien, vor allem in Thailand und Malaysia, strömen die Fans in Massen, während der Kreis der Aktiven in Deutschland noch überschaubar ist, zwischen 70 und hundert organisierten Sportlern bundesweit. Ben Lemme, der zum Kader der Nationalmannschaft gehört, möchte das ändern. Vom 36-jährigen Psychologen aus Berlin hat sich der RUND-Autor René Gralla den großen Spaß am kleinen Ball erklären lassen.
 

Sepak TakrawDie deutsche Nationalmannschaft abgebildet bei der Sepak Takraw WM 2014 in Bangkok mit Ben Lemme (4.v.r.) (Foto: privat)


Ziemlich mickrig ist das Ding, mit dem Sie spielen. Ist der Ball nicht viel zu klein, um ihn mit dem Fuß zu kicken?
Ben Lemme: Nein, das ist eine reine Gewohnheitsgeschichte. 

Trotzdem müssen Sie den Ball bei einem Match erst mal erwischen. Wird nicht oft danebengehauen?
Ben Lemme: Am Anfang schon, klar. Aber bei Golfern ist das nicht anders, Neueinsteiger setzen die ersten Abschläge auch in den Sand.
 
Und wie schaffe ich das, den Miniball immer präzise zu treffen?
Ben Lemme: Sie müssen eben die Grundelemente drauf haben, und das bedeutet üben und üben. Eine gute Methode: den Ball in die Hand nehmen und anschließend möglichst mit der Innenseite des Fußes treten, so dass er nach oben fliegt. Und wenn du ihn danach wieder annehmen und stoppen kannst, bist du schon gut. Das Training für Fortgeschrittene: den Ball gegen eine Wand schießen, der prallt ab, wieder annehmen und zurückgeben.
 
Wie hat das bei Ihnen begonnen, die Leidenschaft für Sepak Takraw?
Ben Lemme: Mit zwei befreundeten Frauen aus Berlin, die in der Szene bereits aktiv waren, bin ich als Unterstützer zu einem Turnier nach Mailand gefahren. Das fand ich spannend, und ich habe gleich selber mal versucht, ein paar Bälle zu treten. Ursprünglich komme ich vom Kickboxen, deswegen waren mir typische Bewegungen im Sepak Takraw, die dem Kampfsport ähneln - zum Beispiel das Hochreißen der Beine - , nicht wirklich fremd. Ich habe gemerkt, das macht Spaß und sieht obendrein spektakulär aus.
 
Sepak Takraw als die quasi humanere Variante des Kampfsports? Weil Sie nur dem schmerzfreien Ball einen verpassen - und keinem menschlichen Gegner?
Ben Lemme: Kann man vielleicht sagen. Hier wende ich Fähigkeiten, die ich bei den Martial Arts erworben habe, nun bei der Arbeit mit einem Ball an.
 
 
 
In den Dreier-Teams, die sich bei Wettkämpfen messen, übernimmt jeder eine fest umrissene Aufgabe: der Kapitän steht hinten, während der Feeder dem Angreifer, wahlweise Striker oder Killer genannt, die Bälle serviert. Ihre Lieblingsrolle?
Ben Lemme: Bisher war das der Killer, der die Punkte macht. Aber auf Grund meines Alters könnte das demnächst wohl der Kapitän sein.
 
Darf die Rollenverteilung während einer Partie verändert werden?
Ben Lemme: Verboten ist das nicht. Auch der Tekong, wie der Kapitän in der thailändischen Sprache heißt, muss kurzfristig zum Striker werden können. Ansonsten sieht ein Angriff nach dem Bilderbuch so aus: Aufschlag vom Kapitän, der Feeder rennt hin, hat den zweiten Kontakt mit dem Ball, gibt den ab zum Striker, der attackiert. Entsprechend wichtig ist die perfekte Kommunikation unter den Spielern.
 
Welche besonderen Fähigkeiten muss ich mitbringen, um im Sepak Takraw bestehen zu können?
Ben Lemme: Stets wach bleiben und schnell sein. Ein Ball kann verspringen, und trotzdem musst du loslaufen und versuchen, das Ding noch zu kriegen.
 
Die taktischen Situationen wechseln ständig, simples Rüberdonnern der Bälle dürfte wohl nicht reichen.
Ben Lemme: Das ist klar. Sie müssen lernen, das Spiel zu lesen. Wenn ich merke, dass einer unserer Gegner die typische Sprunghaltung einnimmt, um einen Schmetterball abzublocken, weil er den offenbar erwartet - während seine beiden Mitspieler entsprechend den hinteren Raum absichern wollen - , dann tupfe ich den Ball leicht an, und der fällt auf der anderen Seite gleich hinter dem Netz runter. Und die anderen kommen nicht mehr ran.
 
Sie spielen auf hartem Hallenboden und demonstrieren Sprünge, die geradezu artistisch sind. Offenbar sind Sie hart im Nehmen?
Ben Lemme: Das wirkt manchmal heftig, in der Regel landen wir aber immer wieder auf den Füßen, vielleicht hilfsweise mit einer Korrekturbewegung, kurz in die Knie gehen, und weiter geht's. Skateboarden ist viel verletzungsanfälliger als Sepak Takraw.
 
Erst kürzlich sind Sie mit der Nationalmannschaft zur WM nach Bangkok geflogen. Wie hat die Republik dort abgeschnitten?
Ben Lemme: Deutschland mischt oben mit, ist unter den nichtasiatischen Nationen eine der erfolgreichsten Mannschaften. Und in einem Sonderwettbewerb für reine Amateurteams haben wir sogar eine Goldmedaille gewonnen.
 
Hierzulande ist Sepak Takraw bisher ein Nischensport. Um das Spiel bundesweit zu etablieren, müssen Sie echte Pionierarbeit leisten. Macht das für Sie - neben dem rein sportlichen Aspekt - die besondere Herausforderung und den zusätzlichen Reiz Ihres Spiels aus?
Ben Lemme: Eigentlich ist das weniger Challenge als bloß sehr viel Arbeit. Und ich muss zugeben, dass ich es natürlich schön finden würde, wenn unser Sport ähnlich populär und verbreitet wäre wie Fußball. Wo ich in irgendeinen Verein eintrete und einen Spielbetrieb vorfinde, der perfekt organisiert ist. Wir dagegen müssen mit Eigeninitiative und ohne öffentliche Unterstützung alles selber stemmen.
 

Warum tun Sie sich das an?
Ben Lemme: Weil das einfach mein Sport ist. Und weil wir eine große Familie sind, europaweit. Und für meine Familie tue ich alles. 

 

Ben LemmeBen Lemme. Foto: privat

Weitere Infos zu Sepak Takraw in Deutschland:
http://takrawgermany.wordpress.com
Sepak Takraw in Berlin:
www.sepaktakraw-berlin.de
 

FOOTVOLLEY IM STIL SÜDOSTASIENS
 
Sepak Takraw, dessen Ursprünge sich um 1500 in Thailand  und Malaysia finden, erinnert an Footvolley, wird ebenfalls über ein Netz ausgetragen. Allerdings ist der eingesetzte Ball um gut ein Drittel kleiner als beim brasilianischen Strandfußball. Außerdem weist das Sportgerät im Sepak Takraw eine unregelmäßige Oberfläche auf, weil es traditionell aus Rattan geflochten wird. Inzwischen jedoch ist das Naturmaterial ersetzt worden durch stabil miteinander verwobene synthetische Bänder.
Drei Spieler bilden ein Team, das so genannte "Regus". Für die Arbeit am Ball sind alle Teile des Körpers erlaubt, außer Armen und Händen. Allein beim Anwurf des Aufschlags, den ein vorderer Spieler in Richtung seines hinten stehenden Kapitäns (thailändisch: "Tekong") ausführt, darf der Betreffende die Hände einsetzen. Nach drei Ballkontakten innerhalb eines Teams muss der Ball über das Netz gespielt werden.
Punkten kann jeweils nur die Mannschaft, die den Aufschlag hat. Sieger ist das Team, welches zwei von drei Sets für sich entscheidet. Ein Zeitlimit dafür besteht nicht; einen Satz gewinnt, wer zuerst 15 Punkte geholt hat. 


 

Zurück  |