Doku über homosexuelle Fussballer
„Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“
Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich
weiterlesen„Toni, halt den Ball. Nein!“
Für Kai Butterweck, 13, brach am 29. Juni 1986 die Welt zusammen: Sein Idol Toni Schumacher griff im WM-Finale daneben. Auf einem Mini-Bildschirm musste der Berliner mit ansehen, wie Argentinien Weltmeister wurde.
„Das habe ich eigentlich noch nie gesehen“, staunte TV-Kommentator Rolf Kramer: Toni Schumacher hatte an der harmlosen Flanke von Jorge Burruchaga vorbeigegriffen. Deutschland lag 0:1 hinten. Vor dem 2:3 flehte Kramer: "Toni halt den Ball". Vergeblich. Foto Pixathlon
Montezmas Rache im Sommer 1986. Vor Beginn der 13. Fußball Weltmeisterschaft in Mexikohatten die Berichterstatter hierzulande mehr Angst vor einer kollektiven Ansteckung des Nationalmannschaftskaders mit dem berüchtigten Reisedurchfall, als vor dem frühzeitigen Scheitern in der Vorrunde. Glücklicherweise rächte sich Montezuma bei keinem der DFB-Auswahlkicker und somit stand der zweiten Vizeweltmeisterschaft nach 1982 kaum noch etwas im Wege. Damals ein 13-jähriger Steppke, erinnere ich mich an emotionale Momente, die mein weiteres Leben als Fußballfan nachhaltgeprägt haben.
und erlebte gerade an einem kleinen, tragbaren Farbfernseher, der kaum größer war als eine herkömmliche Mikrowelle, die ersten 22 Minuten des großen Finales zwischen Deutschland und Argentinien. Nur eine Minute später kämpfte ich mit den Tränen. Mein Held und fleischgewordener Supermann Harald „Toni“ Schumacher im Tor der Deutschen unterlief einen ungefährlich getretenen Freistoß der Argentinier, Jose Brown traf zum bis dahin unverdienten 1:0 für Argentinien.
organisatorische und logistische Probleme, so dass der Weltfußballverband den Kolumbianern kurzfristig den Zuschlag entzog und stattdessen Mexiko zur Austragung ihrer zweiten Weltmeisterschaft nach 1970 verhalf. Genauso uninteressant war für mich der damals groteske Auslosungsmodus, nachdem es bereits in der Vorrunde zu finalfähigen Partien hätte kommen können. Das blieb zum Glück aus und so freute sich die ganze Welt auf einen neuerlichen Fußballrausch.
Viel mehr als das interessierte mich, wie sich mein Kölner Dreigestirn rund um meinen Heroen Toni Schumacher präsentieren würde. Als damals glühender Anhänger der Geißbockelf war ich doch etwas erzürnt, dass sich neben meinem Lieblingstorwart nur noch Dribbelkönig Pierre Littbarski und der unscheinbare Klaus Allofs bei Teamchef Franz Beckenbauer durchsetzen konnten und sich im Aufgebot wiederfanden.
Nachdem ich die eingangs erwähnte 23. Minute überwunden hatte, zitterte ich mit meinem Schulkameraden um den Ausgleich der Deutschen. Nach knapp einer Stunde fiel jedoch das2:0 und meine Laune sank gen Nullpunkt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich eigentlich vorhatte bereits zu diesem Zeitpunkt nach Hause zu gehen, um mich frustriert und wütend in meinem Kinderzimmer einzuschließen. Letztlich blieb ich und verfolgte, wie sich die Argentinier nach ihrem vermeintlich sicheren Vorsprung immer weiter zurückzogen. Nach den niemals mehr für möglich gehaltenen beiden Toren zum Ausgleich der Deutschen gut zehn Minuten vor Ende der Partie, hüpfte ich wieder aufgeregt und zappelig von einem Ende zum anderen meines wackeligen Holzschemels. Doch statt die Uhr herunterzuspielen und auf die Verlängerung zu bauen, öffneten die Deutschen in der Abwehr plötzlich alle Schleusen und so kam es, wie es kommen musste: Pass in die Tiefe von Maradona und Burruchaga war auf und davon. Plötzlich, Mann gegen Mann hatte selbst mein Held Schumacher keine Chance und der Argentinier verwandelte den Konter eiskalt. Fünf Minuten vor Ende der regulären Spielzeit. Dann war es vorbei. Der Traum war geplatzt. Ich konnte es nicht glauben. Rückblickend sehe ich mich noch heute aus der Gartenkolonie rennen, das Gesicht voller Tränen und die Fäuste geballt. Zum Glück kann ich mich an weitere Einzelheiten der folgenden 60 Minuten nicht mehr erinnern.
Jugendidol Toni Schumacher: Kai Butterweck
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